Donnerstag, 23. Oktober 2014

Donnerstag,

23. Oktober 2014

[lied des tages: 'obliviate' von alexandre desplat]




Manchmal denke ich daran, was sich alles verändert haben wird, wenn ich wieder nach Deutschland zurückkehre. Und dann ist mir eingefallen, dass eine Liste darüber sicherlich ganz lustig für dich wäre. Hier ist sie also, die ultimative Aufzählung der Veränderungen, die sich in mir wohl während dieses Jahres ereignen werden (oder es schon getan haben). Und sie wächst stetig, deswegen guckt sie euch ruhig irgendwann noch einmal an! Vielleicht habe ich dann inzwischen etwas hinzugefügt.

Ich werde …

einen völlig anderen Schlafrhythmus haben (um neun ins Bett und morgens um sechs aufstehen). 
das Thema „Wasserverbrauch“ mit ganz anderen Augen betrachten (anders waschen, anders duschen, anders wiederverwenden – wenn fließendes Wasser einmal nicht so selbstverständlich ist und der etwas weiter entfernte Brunnen die einzige Wasserquelle ist, wird man überraschend kreativ, was den Wasserverbrauch angeht). 
mich wieder an Asphalt, tierleere Straßen, eine riesige Auswahl an Produkten, Sterilität, Hektik, Missmut reicher Menschen, das enge, anonyme Stadtleben und die Dramagesellschaft gewöhnen müssen, die aus jedem umgefallenen-Sack-Reis-Event mindestens drei Todesopfer quetscht und bei der man bei mysteriösen Pickeln auf der Stirn umgehend den Arzt aufsuchen sollte, weil sonst Lebensgefahr droht. 
verwirrt aus dem Fenster starren, wenn es im Sommer um sechs Uhr abends einfach noch nicht dunkel werden will … 
viel mehr Kerzen benutzen! 
aus leeren Glasflaschen coole Gläser machen. 
wahrscheinlich aus Gewohnheit meine Taschenlampe überall hin mitnehmen, weil ich vergesse, dass doch sowieso alles beleuchtet ist und man nicht einmal 10 Minuten in absoluter Dunkelheit laufen muss – dafür aber auch keinen atemberaubenden Sternenhimmel sehen kann. 
immer auf Vorrat meine Geräte aufladen, falls einmal der Strom ausfallen sollte. 
bei ungefähr allen Aktivitäten singen, weil man hier nicht schräg angeguckt wird, wenn man mal auf der Straße ein Liedchen anstimmt. 
fließend Denglisch (nicht Englisch, Denglisch!) sprechen. 
exzellent mit Händen und Füßen kommunizieren können, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. 
erst einmal aus der Randwährung heraus- und wieder in die Eurowährung hineindenken müssen. 
Experte für Zweiwocheneinkäufe sein. 
viel mehr tanzen. 
zahlreiche Gerichte mit nur wenig Zutaten zubereiten können. 
vorbereitet für das WG-Leben sein. 
häufiger einfach mal eine kalte Dusche nehmen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. :D 
eine fast brüderliche Liebe zu Insekten aller Größe empfinden, schließlich begleiten sie einen ja doch bei allem. Sie leisten dir Gesellschaft, wenn du schläfst, wenn du kochst, wenn du durch die Welt spazierst … man wächst halt zusammen, nicht wahr? 
öfter ein Tuch um meinen Kopf wickeln (auch wenn ich dann hier als verheiratet gelte :D), denn erstens ist das total bequem und zweitens gibt es wunderschöne Tücher, mit denen man sich sein Oberstübchen schmücken kann. Kopftücher werden überhaupt total unterschätzt. 
vor allem diesen Ort und die Menschen hier sehr, sehr vermissen.

Übrigens ist das Wasser letztens für fast zwei Wochen von der Regierung abgestellt worden. Der Grund war nicht ganz klar, aber das ist er wohl fast nie. Die Menschen müssen sich eben sofort an die neue Situation anpassen und das Wasser – falls sie das nicht sowieso schon tun – aus den Brunnen holen und nach Hause schleppen. Für alles, was sie damit machen wollen. Kleidung, Geschirr, Gemüse und Hände waschen, trinken, duschen.
Für Pia und mich hieß es eben - nachdem der Regenwasservorrat im Tank aufgebraucht war - kein fließend Wasser mehr. Aber da wir in einer kleinen Selfcatering-Backpackereinrichtung wohnen, wurde uns der Luxus zuteil, dass wir nicht selbst das Wasser anschleppen mussten. Allerdings kamen Dinge wie Duschen und Wäsche machen natürlich in den zwei Wochen nicht infrage. (Zum Glück gibt es ja den Ozean um die Ecke und dann auch noch Mdumbi Backpackers, wo ich ja arbeite und nach einigen ungeduschten Tagen unter die Dusche hüpfen durfte).

Es ist inzwischen offiziell: Ich vermisse Essen manchmal mehr als Menschen. Hin und wieder überfallen mich regelrecht Essensphantasien von Pizza, warmen Brötchen mit Butter, Frozen Yoghurt, Kuchen, Schwarzbrot mit Frischkäse, Tomaten und Schnittlauch, Smoothies, Croissants, Falaffel – und mir fällt immer noch mehr ein. Ich denke, ich werde nach meiner Ankunft in Deutschland erst einmal ein Festessen veranstalten.
Es ist nicht so, als könnte man hier nicht lecker essen – aber ein paar Lebensmittel bekommt man natürlich partout nicht. Vielleicht in einer Großstadt wie Johannesburg oder Kapstadt – nur nicht in der ländlichen Gegend, in der ich lebe.

Ich hatte ja angekündigt, dir Fotos von meinem neuen Zuhause zu zeigen. Und hier sind sie:


Ein bisschen Meerblick habe ich noch. :D

Mir wurde jetzt schon häufig gesagt, dass man sich meinen Tagesablauf gar nicht so richtig vorstellen kann. Ich versuche ihn einfach mal grob zu skizzieren, damit eine ungefähre Vorstellung von ihm entsteht.
Wann ich morgens aufstehe, hängt immer davon ab, was ich vor der Preschool vorhabe. Wenn ich duschen möchte, klingelt mein Wecker um viertel nach sechs, wenn nicht, um viertel vor sieben und wenn ich jogge (was ich aktuell jeden Montag, Mittwoch und Freitag mit Bekannten und Arbeitskollegen hier mache), springe ich um fünf Uhr fünfundvierzig aus dem Bett – na ja, ich schäle mich wohl eher aus der Bettdecke. Mal schauen, wie lange ich das mitmache. ;D Bisher habe ich es ganz gut durchgehalten.
Um acht Uhr beginnt dann die Preschool, in der die Kinder (3-6 Jahre) eine warme Mahlzeit bekommen und in der ihnen lesen, schreiben, rechnen, fein- und grobmotorische Fähigkeiten spielerisch beigebracht werden. Sie sind sehr intelligent, wissbegierig, einfach goldig, laut und haben einen ziemlichen Bewegungsdrang. ^^ Aber das kennt man ja von Kindern aller Welt.
Bis ein Uhr bleiben Pia und ich durchschnittlich noch in der Schule und bereiten den nächsten Tag vor, in dem wir putzen, das dreckige Kochgeschirr für das Mittagessen abwaschen und die Aufgaben für den nächsten Tag bereitlegen. Manchmal bekommen wir (kleine und große) Aufträge von den Lehrern, die wir erledigen können – zum Beispiel bereite ich einmal pro Woche die Art and Craft Stunde vor. Manchmal erstelle ich auch Materialien für die Schule oder schreibe Briefe an die Eltern. Für nächste Woche sollen wir eine Box zu einem bestimmten Thema füllen, welche die Kinder dann eine Weile begleitet.
Nach der Preschool gehe ich meistens ins Office, in dem ich meine Geräte anschließen und aufladen kann und wo es Internet gibt. Wie stabil die beiden genannten Dinge sind, hängt aber vom Wetter ab – also wie windig oder regnerisch es ist.
Im Office arbeite ich dann an all den anderen Dingen, die ich mir so vornehme. Momentan sind das ein Funding-Projekt, bei dem ich mitmache (ich erstelle die Website dafür, schreibe Texte über alles, was dort erwähnt werden muss und hole Unterschriften ein zur Benutzung von Fotos), ich kümmere mich um mein eigenes Projekt, was jeden Dienstag stattfindet und von dem ich dir sicher bald erzählen werde, ich entwerfe wieder eine neue Art and Craft Stunde, aktualisiere meinen Blog, beantworte all meine E-Mails (und das sind zur Zeit echt viele) und erledige alle sonstigen Aufgaben, die (manchmal spontan) anfallen. Außerdem habe ich ja noch mein Hobby, das Schreiben, was leider momentan einfach zu kurz kommt, obwohl ich gerade erst eine unfassbar tolle Nachricht erhalten habe, die ich hier aber auch noch nicht preisgeben will. ;P Ich kann nur so viel sagen: Es fällt mir schwer, mich jetzt gerade nicht tagein, tagaus mit dem Schreiben beschäftigen zu können.
Jeden Montag gehe ich zu einem Meeting und nachmittags kann ich immer bei der After-School mithelfen (das letzte Mal kam ich dem spontanen Vorschlag nach, sie einfach ganz zu übernehmen *hust* xD). Man kann also nicht sagen, dass ich nicht genug Beschäftigungmöglichkeiten habe, vor allem, weil in letzter Zeit fast jedes Wochenende ein Geburtstag gefeiert wird oder ich mich mit anderen treffe, um etwas zu kochen. Manche Menschen, die ich kenne, wären sicherlich traurig, nicht mehr „feiern“ gehen zu können – auf ihre traditionelle Art. Denn da ich in keiner Stadt wohne, sondern tatsächlich am Arsch der Welt (der übrigens wunderschön ist, für alle, die es noch nicht wissen), gibt es so etwas wie ein Nachtleben kaum. Also, klar, ich könnte mal eben rüber in die einzige Kneipe weit und breit hier, die zwischen einem Plumpsklo und wiederkäuenden Kühen steht, wobei ich aufpassen müsste, nicht von Hunden angefallen zu werden, die manchmal sehr der Ansicht sind, unbedingt um jeden Preis ihr Territorium beschützen zu müssen. Aber ganz ehrlich? Ich bin viel lieber mit Menschen zusammen, die ich kenne und sitze nachts bis vier Uhr morgens am Strand, starre ins Lagerfeuer und höre dem Meer zu. Und es macht mir auch überhaupt nichts, abends nicht groß etwas machen zu können, weil man weder Strom noch Verkehrsmittel hat, sondern überall zu Fuß hingeht. Dann schlafe ich eben früh oder gehe nach Mdumbi, um mich ein bisschen zu unterhalten. Ich denke, man kann das nur verstehen, wenn man hier tatsächlich lebt. Es ist wie eine neue Atmosphäre, die, ehe man sich versieht, in einen übergeht und dort bleibt.

Ich hoffe, dein Bild von meinem Leben ist jetzt etwas klarer geworden. Zum Abschluss gibt es einfach noch ein paar Fotos von hier, damit das Bild auch gleich ein bisschen farbiger wird.

In dieser Nacht wurde in der Nähe ein Feld abgebrannt, 
da die Asche gut für das Wachstum sein soll.
Kerzenlichterabende
Mit benutzten Streichhölzern kann man eine Menge anfangen!
Der Himmel glüht während eines Sonnenuntergangs.
Abendstimmung an der Küste.



Die besten Grüße aus einem sonnigen Südafrika! Ich hoffe, es geht dir genauso gut wie mir.


Dein Julchen

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